Yes he can.

von Daniel am 14.02.2013

Die Reden des ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten sind all­ge­mein eine sehr pathe­ti­sche Ange­le­gen­heit. Wenn der mäch­tigste Mann der Welt das Wort ergreift, dann redet er nicht in der Stimme des All­tags, son­dern trifft den Ton der Geschichte. Dies gilt für die wich­tigste poli­ti­sche Rede sei­nes Amtes, der Anspra­che zur Lage der Nation; vor allem aber gilt es für die größte Rede sei­ner Amts­zeit, der Antritts­rede nach der Ver­ei­di­gung. Vor tau­sen­den Men­schen am Washing­ton Monu­ment, auf dem Bal­kon des pracht­voll geschmück­ten Kapi­tols in Sicht­weite des Lin­coln Memo­rial – grö­ßer kann es nicht sein.

Die Inau­gu­ral Adress von Barack Obama ver­gan­ge­nen Mon­tag traf dabei den­noch (oder des­we­gen) einen sehr welt­po­li­ti­schen Ton. Der Prä­si­dent bezog glas­klar Stel­lung zu ver­schie­de­nen Posi­tio­nen sei­ner Agenda: Schär­fere Waf­fen­ge­setze, ein neues Ein­wan­de­rungs­ge­setz und der Stär­kung des Sozi­al­staa­tes. Außer­dem for­mu­lierte er Maß­nah­men gegen den Kli­ma­wan­del und for­derte in sehr kla­ren Wor­ten die glei­chen Bür­ger­rechte für Homosexuelle.

Beein­dru­ckend war aber vor allem der rhe­to­ri­sche Kunst­griff, mit dem die Rede zusam­men­ge­hal­ten wurde: Obama hat von den Grün­der­vä­tern Ame­ri­kas bis zum heu­ti­gen Tag eine große, qua­si­re­li­giöse Heils­ge­schichte erzählt, der er sich selbst durch sei­nen per­sön­li­chen Glau­ben ver­pflich­tet fühle.

Für Euro­päer mag das selt­sam klin­gen, in der ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik ist es aller­dings sehr wir­kungs­voll: In dem der Prä­si­dent all seine poli­ti­schen Argu­mente im Bewusst­sein sei­nes Glau­bens auf diese Grün­der­vä­ter zurück­führt, nimmt er kon­ser­va­ti­ven Kräf­ten wie der reli­giö­sen Rech­ten oder der Tea Party den Wind aus den Segeln. Denn gerade weil diese rech­ten Grup­pen sich immer auf die Grün­der­vä­ter und die Ver­fas­sung beru­fen, wird von jenen nie­mand die Keim­zelle der prä­si­dia­len Rede bestrei­ten können:

We hold these truths to be self-evident, that all men are crea­ted equal, that they are endo­wed by their Crea­tor with cer­tain unali­enable Rights, that among these are Life, Liberty, and the Pur­suit of Happiness.

Obama hat diese berühmte Pas­sage aus der Ver­fas­sung nicht nur zitiert, er ver­län­gert sie auch in die Gegenwart:

Today we con­ti­nue a never-ending jour­ney, to bridge the mea­ning of those words with the rea­li­ties of our time. For history tells us that while these truths may be self-evident, they have never been self-executing.

Aus sei­ner Erzäh­lung von der gro­ßen freien Nation von welt­ge­schicht­li­chem For­mat lei­tet Obama nun alle Rechte, Ver­pflich­tun­gen, Ideale und Ansprü­che jedes ein­zel­nen Men­schen ab und macht damit sein eige­nes poli­ti­sches Pro­gramm zur Sache aller freien Men­schen der Welt. Jeder Absatz mit poli­ti­schen For­de­run­gen beginnt mit den geschichts­träch­ti­gen Wor­ten We the people…, die auch schon die Ver­fas­sung der Ver­ei­nig­ten Staa­ten einleiten.

Obama beschränkt die­ses Pro­gramm damit nicht nur auf die Ver­ei­nig­ten Staa­ten, son­dern macht die ame­ri­ka­ni­sche Ver­fas­sung gleich­sam zu einer Grund­lage uni­ver­sa­ler Friedensarchitektur:

Ame­rica will remain the anchor of strong alli­an­ces in every cor­ner of the globe; and we will renew those insti­tu­ti­ons that extend our capa­city to manage cri­sis abroad, for no one has a grea­ter stake in a peace­ful world than its most power­ful nation. We will sup­port demo­cracy from Asia to Africa; from the Ame­ri­cas to the Middle East, because our inte­rests and our con­sci­ence com­pel us to act on behalf of those who long for freedom.

Das Ziel ist damit ein­deu­tig for­mu­liert: Eine welt­um­span­nende Pax Ame­ri­cana, die Gleich­heit, Gerech­tig­keit und Wohl­stand ver­spricht und garan­tiert. Ein durch und durch impe­ria­ler Gedanke, der mit einer welt­ge­schicht­li­chen Sen­dung vor­ge­tra­gen wird und in einem  wirk­lich muti­gen Appell gipfelt:

Let us toge­ther ans­wer the call of history!

So einen Satz ohne Lächer­lich­keit und fal­schem Pathos vor tau­sen­den Men­schen aus­zu­ru­fen, muss man sich leis­ten kön­nen. Aber es ist eben auch die größte Rede des mäch­tigs­ten Man­nes der Welt.

Die Rede im Wort­laut: