We can’t handle the truth
von Daniel am 21.02.2013
Es gibt wieder Krieg mit Deutschland. Deshalb gibt es auch wieder Veteranen, meint Bundesverteidigungsminister de Maizière. Eigentlich liegt diese Erkenntnis auf der Hand: Wo Soldaten im Einsatz sind, kann man nur hoffen, dass es auch bald Veteranen gibt. Denn das bedeutet, dass die Soldaten wieder zurückkommen.
Trotzdem verursacht der Begriff Magenschmerzen, aus bekannten historischen Gründen. Aus diesen Gründen lässt sich dann auch trefflich darüber streiten, inwiefern eine Armee einen sinnvollen Beitrag zur Weltgemeinschaft leistet. Das Meinungsspektrum bei dieser Frage reicht von pazifistischen Pauschalen über realpolitische Pragmatik bis hin zu klassischem Nationalmachismo.
Das alles ändert aber nichts an der Tatsache, dass es in Deutschland nun wieder Soldaten gibt, die einem tatsächlichen Kriegseinsatz hinter sich haben. Sie kommen nach Hause, hoffentlich unversehrt, aber leider nicht selten mit seelischen oder physischen Wunden.
Dass man diesen Umstand irgendwie in Worte fassen muss, steht außer Zweifel. Die Frage ist nur: Womit? Spricht man von Heimkehrern, Altgedienten, Einsatzrückkehrern? Oder eben von Veteranen? Letzteres möchte man vermeiden, denn damit entsteht plötzlich wieder eine Nähe zum reaktionären Großvater, der nach Frankreich nur auf Ketten fährt. Dabei ist natürlich jedem klar, dass den demokratischen Heimkehrer aus Afghanistan vom hitlergläubigen Wehrmachtssoldaten mehrere Welten trennen. Aber trotzdem grummelt es in der Magengegend, wie die nun wieder aufkeimende Begriffsdiskussion zeigt.
Also tritt man beherzt die Euphemismusmühle und versucht, ein schönes Wort für eine unschöne Sache zu finden. Eine Sache immerhin, die schon seit 2000 Jahren kulturübergreifend mit dem griechischen Wort Veteran bezeichnet wird.
Dabei liegt die Keimzelle der Debatte ganz wo anders: Deutschland hat ein Problem mit seinen Soldaten. Das ist eine Binsensweisheit und zeigt sich bei militärischen Anlässen am Raunen des Feuilletons — oder auch in handfesten Protesten, wenn es zum Beispiel um den Zapfenstreich geht. Das alles ist historisch nachvollziehbar, aber im konkreten Fall für die Gesellschaft schädlich. Denn einerseits wird fleißig nach dem verantwortungsvollen Bürger in Uniform gerufen, andererseits der Uniformierte gerne durch verantwortungslose Bürger im Regen stehen gelassen. Was das für Folgen haben kann, konnte man in Amerika an den Vietnam-Veteranen beobachten: Selbstmorde, Amokläufe, gescheiterte Existenzen — die Liste ist lang und grausam.
Amerika konnte sich damals nicht mit der ungemütlichen Wahrheit anfreunden, dass es den Vietnamkrieg faktisch verloren hatte. Waren die Weltkriegsveteranen als Helden gefeiert worden, sah man in den Heimkehrern aus Vietnam nur die schmerzliche Erinnerung an die Niederlage. Das Buch First Blood und seine Hauptfigur John Rambo sind eine eindrucksvolle literarische Verarbeitung dieses Traumas.
In Deutschland sind die heimkehrenden Veteranen ebenfalls eine schmerzliche Erinnerung: Wir führen wieder Krieg. Keinen Angriffskrieg, keinen totalen Krieg — aber eben Krieg. Und so langsam erwacht die Gesellschaft aus dem pazifistischen Traum der Nachkriegsjahre und sieht sich plötzlich mit Figuren wie Milošević, Gaddafi, Assad, Ahmadinedschad oder Kim Jong-ill bzw. –un konfrontiert, denen das Weltkriegstrauma und die schrecklichen Lektionen der Hitlerzeit herzlich egal sind.
Und mit diesem Erwachen reift auch eine andere Erkenntnis: Dass man als fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt vielleicht auch ein paar Gewehre im Schrank haben sollte. Falls mal was passiert. Aber diese Erkenntnis ist schmerzhaft, weil sie mit dem Selbstverständnis einer geläuterten und moralisch herausgeforderten Weltmacht kollidiert.
Aus dem Umfeld von Willy Brandt ist das Diktum überliefert, dass von deutschem Boden niemals wieder Krieg ausgehen dürfe. Das ist auch heute noch ein lohnenswertes Ziel und kann nicht vehement genug verteidigt werden. Aber umso verständlicher sind auch die Magenschmerzen, die der Begriff Veteran auslöst. Er erinnert daran, dass zwar kein Krieg von deutschem Boden ausgeht, aber von diesem Boden immerhin Krieger losziehen, um anderswo zu kämpfen. Und sei es nur, um die Menschenrechte gegen grausame Diktatoren zu verteidigen. Es ist leider so, wie es Colonel Jessup in dem Film A Few Good Men seinem Ankläger entgegenschleudert:
You can’t handle the truth: We live in a world that has walls — and those walls have to be guarded by men with guns.
Diese Figur des Colonels mag ein faschistoider, selbstgerechter Drecksack sein — aber in diesem Moment bündelt der Autor in ihr das zivilisatorische Dilemma, in dem eine Gesellschaft und ihre Armee in Zeiten des Krieges gefangen ist.
Deshalb kann es nur falsch sein, mit Schönfärberei diesen Umstand zu verschleiern. Die Welt wird nicht friedlicher, weil man für heimkehrenden Soldaten ein nettes Wort verwendet. Es gibt wieder Krieg mit Deutschland, und es muss zunächst darum gehen, diese Tatsache zu akzeptieren.
Dann ist es auch egal, was für ein Wort man für einsatzerprobte Soldaten verwendet. Dann kann man sich fragen, wie man mit ihnen umgeht. Und wie man Kriegseinsätze auf ein Minimum reduziert.